„Büroplanung heißt Organisationsentwicklung“
Ein gutes Bürokonzept geht weit darüber hinaus, ergonomische Bürostühle und Schreibtische für die Beschäftigten anzuschaffen. Es spiegelt die Unternehmenskultur wider und erfordert daher eine gründliche Planung, wie Büroeinrichter Erich Peter Hoepfner erklärt.
Interview: Holger Schmidt (Redaktion)
„Mein Unternehmen hat 50 Büromitarbeiter, also brauche ich auch 50 Büroarbeitsplätze.“ So einfach ist es für Geschäftsführer heute nicht mehr, oder?
Erich Peter Hoepfner: Die Aufgabe lautet immer noch, ein Büro produktiv zu gestalten. Daran hat sich nichts geändert. Aber die Art und Weise, wie und wo wir arbeiten, hat sich verändert. Das ist den gesellschaftlichen und technischen Entwicklungen geschuldet. Deshalb stellt sich die Frage nach den 50 Arbeitsplätzen für 50 Mitarbeiter in der Tat so nicht mehr. Es geht vielmehr darum, die Wertschöpfung sicherzustellen. Wen brauche ich dafür in Präsenz? Wem kann ich die Möglichkeit geben, remote zu arbeiten? Und wie kann ich dabei stabile Prozesse erzeugen?
Was ist dazu bei der Planung eines neuen Büros oder bei der Modernisierung alter Büroräume zu bedenken?
Hoepfner: Viele Büroformen sind nicht neu. Zum Beispiel das non-territoriale Büro, das nur mit mobilem Arbeiten oder Telearbeit funktioniert, weil die Mitarbeiter keinen fest zugeordneten Arbeitsplatz haben und daher weniger Arbeitsplätze erforderlich sind, als es Mitarbeiter gibt. Die Themen wurden schon in den 1990er-Jahren diskutiert. Jetzt haben sie aber eine viel stärkere Relevanz bekommen. In dem Zuge stellen sich Fragen zur Gerechtigkeit unter den Beschäftigten, zum Führungsstil und zur Unternehmenskultur. Das führt in der Summe zur Art der Arbeit, die ich nach innen leben, und zur Wahl der Büroform, die ich nach außen zeigen möchte.
Wie können Geschäftsführer diese Themen angehen?
Hoepfner: Die größte Aufgabe ist es, die Planung möglichst zukunftssicher auszurichten. Geschäftsführer müssen wissen, welche Arbeitsprozesse sie jetzt brauchen und in Zukunft brauchen könnten, und dann entsprechend die Anforderungen für die Arbeitsplätze definieren. Dabei sind Megatrends wie Digitalisierung, KI, demografischer Wandel, Globalisierung, Lieferkettenproblematik und Inflation zu berücksichtigen. Das alles beeinflusst die Arbeitsprozesse.
Für welche Unternehmen lohnt es sich, über neue Büroraumkonzepte nachzudenken?
Hoepfner: Gibt es Störungen im Betriebsablauf? Welche Prozesse funktionieren nicht? In welchen Bereichen gibt es zu viel oder zu wenig Fläche? Genügt diese Fläche den funktionalen und technischen Anforderungen? Wenn wir das alles zusammenführen, hat jedes Unternehmen ein Wertschöpfungspotenzial von bestimmt 20 Prozent. Es ergibt also für jedes Unternehmen Sinn, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.
Welche Anforderungen müssen moderne Büros denn erfüllen?
Hoepfner: Die Gesellschaft hat ein anderes Verständnis von Arbeit entwickelt. Ich lebe nicht mehr, um zu arbeiten. Und ich arbeite auch nicht, um zu leben. Sondern ich lebe und ich arbeite. Das heißt, die Arbeit ist ein soziales, sinnstiftendes Element für uns. Gerade die jungen Leute haben keine Lust mehr, in alten, festgefahrenen und autoritären Strukturen zu arbeiten – also ganz typisch in Bürogebäuden mit langem Gang, von dem links und rechts Einzel- oder Zweipersonenbüros abgehen. Stattdessen spielen Optik und Design eine immer größere Rolle, um die Lebenskultur ein Stück weit zu spiegeln. Das Büro wird sich mehr in Richtung Wohnen und Arbeiten entwickeln. Überspitzt formuliert: Wer mag schon gerne in einer Rumpelkammer sein? Die Gebäudekonzeption sowie die Gestaltung und die Ästhetik von Büroflächen sind ganz wesentliche Punkte. Das wird immer mehr zum Wettbewerbsfaktor.
So ein Büro will also gut geplant sein …
Hoepfner: Wenn ich das Büro betrachte, steht es heute mehr denn je für Kreativität und Innovation. Beides entsteht meist durch spontane Interaktion, die manchmal in der Kaffeeküche oder in anderen Räumen mit ungezwungener und offener Atmosphäre stattfindet. Wenn ich diese Räume erzeugen will, helfen die alten, klassischen Strukturen nicht weiter. Da sind wir dann beim Zusammenspiel von Design und Funktionalität. Dabei darf ich aber nicht vergessen, dass Mitarbeiter auch noch sehr, sehr viel konzentriert arbeiten können müssen, sie also abgeschottete, ruhige Bereiche benötigen. Das muss man bei der Planung von modernen Open-Space-Büros beachten.
Woran scheitert eine Büroplanung denn am häufigsten?
Hoepfner: Der größte Fehler ist, Büroplanung mit Tisch und Stuhl zu verwechseln. Büroplanung heißt Organisationsentwicklung.
Welchen Einfluss hat ein Bürokonzept auf die Gesundheit der Beschäftigten?
Hoepfner: Die Erkenntnis, dass wir ergonomische Bürostühle und Schreibtische brauchen, hat sich mittlerweile durchgesetzt. Die Entwicklung der Krankheitstage wegen physischer Krankheiten ist relativ stabil. Aber das ist nur ein kleiner Teil. Psychische Belastungen und Erkrankungen nehmen zu. Gesunde Arbeitsbedingungen zu schaffen, heißt, das Raumkonzept als Ganzes zu betrachten. Also ein Gebäude zu bauen, in dem die Beschäftigten Lust haben zu arbeiten; in dem die Arbeitsbedingungen – Ergonomie, Raumklima, Beleuchtung und die Funktionalität – aufeinander abgestimmt sind. Wenn das alles funktioniert, stifte ich als Unternehmen eine Identität. Die brauche ich, denn sie ist die Kultur meines Unternehmens und zeigt sich in der Außenwirkung auch in der Büroeinrichtung.
Und dafür brauchen Unternehmen die Unterstützung von Büroeinrichtern?
Hoepfner: Es geht darum, das Unternehmen als Arbeitgeber attraktiv zu machen. Dafür gucke ich mir die Organisationsform an. Wir verkaufen ja wie gesagt nicht Tische und Stühle. Wir verkaufen die Sicherheit, zukünftige Prozesse auf einer Fläche sinnvoll, kapital- und ressourcenschonend nutzen zu können. Als Externer betrachte ich systemisch das große Ganze und mache eine Bestandsaufnahme. Wir sind sozusagen Fachingenieure für die Organisationsentwicklung auf einer Fläche.
Bevor Sie an die Entwicklung eines Büroraumkonzepts, an die Ausführungsplanung und Realisierung gehen, beziehen Sie die Beschäftigten intensiv mit ein.
Hoepfner: Die Mitarbeiterbefragung ist ein ganz, ganz wichtiger Punkt. Denn mit der Büroplanung geht ein Change-Prozess einher, der häufig Produktivitätsverluste beschert. Wenn also die Mitarbeiter sagen: „Die da oben machen jetzt was – aber die haben ja von dem, was wir hier unten machen, überhaupt keine Ahnung.“ Wir fragen deshalb die Mitarbeiter: Wie arbeitet ihr jetzt? Was fehlt euch? Was wäre sinnvoll und notwendig, um eure Arbeit besser machen zu können? Mit unserem Blick von außen haben wir das ganze System im Blick und können sehr wirkungsvoll dazu beitragen, dass so ein Projekt gelingt.
Der Experte:
Betriebswirt Erich Peter Hoepfner ist Inhaber der Unternehmensberatung Munich Consult im mittelhessischen Staufenberg. Er ist außerdem Vorsitzender des Bundesarbeitskreises Büro (BAKB), einem Netzwerk aus zehn erfahrenen Büroeinrichtern aus ganz Deutschland. Mithilfe eines Sechs-Stufen-Plans – Strategie-Workshop, Mitarbeiterbefragung, Flächenbedarfsuntersuchung, Konzeptentwicklung, Ausführungsplanung und Umsetzung – verhilft der BAKB Unternehmen zu einer modernen Bürowelt. www.bakb.biz