Quacksalber

Mit Kalauern heilen

Wer heute jemanden als Quacksalber bezeichnet, disqualifiziert ihn als vermeintlichen Heiler ohne nötige Qualifikation. Bei historischer Betrachtung versammelten sich unter dem Begriff seit dem Mittelalter viele hemdsärmelige Praktiker im Gesundheitswesen, die häufig mit Gefahrstoffen in Berührung kamen – vom Zahnbrecher, Bader, Medikaster, Barfußarzt bis hin zum Chirurgen.

Text: Monika Röttgen  Foto: bpk/Hamburger Kunsthalle/Christoph Irrgang

Der lautmalerische Name Quacksalber, so eine Erklärung, kommt von Quecksilber, ein jahrhundertelang wohldosiert eingenommenes Mittel gegen Syphilis. Andere leiten das Wort aus dem Niederländischen ab: „Kwakszalver“ meint jemanden, der wortreich Salben verkauft – in Zeiten, wo der Haustür- oder Markthandel die einzige Möglichkeit ist, überhaupt an so etwas wie Medikamente zu kommen. Quacksalber agieren in einer bunten Gemengelage aus vollmundigen Heilversprechen, zuweilen zwielichtigen Handelsunternehmungen und nicht zuletzt Gefahrstoffen. Denn sie hantieren in brodelnden Töpfen mit Schwefel, Pflanzengiften oder Metallen, um ihre Arzneien in Eigenregie herzustellen.

Die Unterschiede zwischen laienhafter Berufsausübung und Expertentum sind häufig fließend. Auch ein „echter“ Arzt hat zumeist wenige Heilerfolge vorzuweisen. Aderlass und Urinbeschau gehören bis weit ins 19. Jahrhundert zum üblichen Therapiekanon. Tatsächlich sind daher die pragmatisch orientierten Helfer in der Not deutlich handfester und: günstiger. Manche gehören zwar zum schlecht angesehenen fahrenden Volk, doch immerhin bieten sie die Aussicht auf Genesung. Und sie haben Unterhaltungspotenzial.

„Des Quacksalbers Praktik sei so gut, daß sie allen Siechtum heilen tut ... Solch Narr kann dich in’n Abgrund stürzen, eh du’s gemerkt, dein Leben kürzen!“

Der Straßburger Gelehrte Sebastian Brant in „Das Narrenschiff“, einer Moralsatire des ausgehenden 15. Jahrhunderts

Mit Reimen und Kalauern treten sie auf Märkten auf, präsentieren erfolgreich entfernte Nierensteine oder gezogene Zähne und „wollen damit beweisen, was sie vor grosze thaten mit ihrer salbe … gethan haben“, wie uns etwa das Grimm’sche Wörterbuch verrät. Sie gehören damit zum Kanon früher Entertainer, die vor den Augen des staunenden Publikums ihre Wundermittel selbst einnehmen. Kurzerhand lässt man sich von einer Schlange beißen und greift mutig zum Theriak, einer giftpflanzenreichen Mischung, um die Wirksamkeit seiner Produkte unter Beweis zu stellen. Findige Quacksalber kennen Tricks wie die vorherige Einnahme von reichlich Fett, um den Giftstoffen weniger Angriffsfläche zu bieten – hausgemachter Gesundheitsschutz der etwas eigenwilligen Art.

Bereits vor dem 18. Jahrhundert werden die ersten medizinalpolitischen Maßnahmen gegen Quacksalber in den Städten erlassen, was sich in den nächsten 200 Jahren weiter zuspitzen soll. Das 19. Jahrhundert führt zu einer evidenzbasierten Medizin – mit bald zuverlässigeren Heilerfolgen. „Quacksalber“ wird zum Kampfbegriff. 1883 folgt ein Verbot für umherziehende Naturheilkundige. 1903 ruft eine organisierte Ärzteschaft die „Deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung des Kurpfuschertums“ ins Leben. Doch der Handel mit allerlei Heilversprechen ist und bleibt weiter in der Welt. Auch wenn der Beruf des Quacksalbers offiziell nicht mehr existiert.

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Unsere Autorin Monika Röttgen leitet die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der DASA Arbeitswelt Ausstellung in Dortmund. Dort erstrecken sich auf einer Größe von fast zwei Fußballfeldern spannende Erlebniswelten zum Entdecken und Mitmachen. Hier macht Arbeit sogar Spaß! www.dasa-dortmund.de www.dasa-dortmund.de