Der gefährliche Weg zur Arbeit (… und zurück)

Jede Woche erleiden statistisch rund 3.600 Menschen in Deutschland einen Unfall auf dem Weg zur und von der Arbeit. Ob mit dem Auto, mit dem Fahrrad oder zu Fuß ist dabei unerheblich, das Risiko ist bei fast allen Verkehrsmitteln hoch.

Nach § 8 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) VII ist das „Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit“ von der gesetzlichen Unfallversicherung abgedeckt. Wichtig ist hier das Wort „unmittelbar“. Als Wegeunfall zählt ein Ereignis nur, wenn es sich auf dem direkten Weg von der Wohnung zur Arbeitsstätte ereignet. Der beginnt an der Außentür des Wohngebäudes und endet am Betriebseingang.

Die sogenannten Wegeunfälle sind mit rund 186.000 im Jahr 2019 erfassten Ereignissen eine der wichtigsten Einzelursachen für Unfälle, die mit der beruflichen Tätigkeit zusammenhängen. Die Anzahl wäre noch höher, wenn tatsächlich alle Unfälle, die im Zusammenhang mit dem Arbeitsweg passieren, in die Statistik einfließen würden. Dass dem nicht so ist, liegt an der rechtlichen Definition des Wegeunfalls.

Nach § 8 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) VII ist das „Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit“ von der gesetzlichen Unfallversicherung abgedeckt. Wichtig ist hier das Wort „unmittelbar“. Als Wegeunfall zählt ein Ereignis nur, wenn es sich auf dem direkten Weg von der Wohnung zur Arbeitsstätte ereignet. Der beginnt an der Außentür des Wohngebäudes und endet am Betriebseingang.

Wenn beispielsweise jemand im dritten Stock eines Mehrfamilienhauses wohnt und auf dem Weg zur Arbeit im Treppenhaus ausrutscht und stürzt, ist dies kein Wegeunfall. Genauso wenig, wenn er auf dem Weg zur Arbeit einen kleinen Umweg zum Bäcker macht und dort einen Unfall erleidet. Wegeunfälle können somit nur auf dem direkten Weg passieren (mit wenigen Ausnahmen, beispielsweise wenn man sein Kind zu Kita bringen muss). Alles andere definieren die Sozialgerichte als „eigenwirtschaftliche Tätigkeit“ und lehnen die Einstufung als Wegeunfall ab.

Wegeunfälle sind die Haupttodesursache von Beschäftigten im Zusammenhang mit ihrer Berufstätigkeit. 2019 starben 309 Menschen auf dem Weg von der und zur Arbeit, während 497 durch einen Arbeitsunfall tödlich verunglückten. Bei rund 871.000 Arbeitsunfällen zeigt sich das höhere Todesrisiko im Verhältnis zu „nur“ circa 186.000 Wegeunfällen deutlich. Hinzu kommt, dass erlittene Verletzungen bei Wegeunfällen häufig schwerer sind als bei Arbeitsunfällen und entsprechend längere Ausfallzeiten nach sich ziehen.

Fahrradunfall
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Das größte Risiko tragen Fahrer von motorisierten Zweirädern (Motorräder, Roller etc.), gefolgt von Fußgängern. Laut der Studie „Verletzungsrisiken bei beruflich bedingter Verkehrs­teilnahme“ ist beispielsweise eine Stunde mit einem motorisierten Zweirad zu fahren statistisch genauso gefährlich, wie 192 Stunden mit der Straßenbahn oder dem Zug unterwegs zu sein. Die Wissenschaftler haben auch herausgefunden, dass das Unfallrisiko für Beifahrer in Pkw mehr als dreimal geringer ist als für die Fahrer. Die Erklärung dafür ist, dass vorsichtiger gefahren wird, wenn Mitfahrer im Auto sitzen, Fahrgemeinschaften also sicherer unterwegs sind als Alleinfahrer.

JE ÄLTER DIE BETRACHTETE GRUPPE IST, DESTO GERINGER IST IHRE GEFÄHRDUNG.

Auch das Lebensalter ist nach der Studie von Bedeutung: Je älter die betrachtete Gruppe ist, desto geringer ist ihre Gefährdung. Das Risiko, bei einer Fahrt mit dem Pkw verletzt zu werden, beträgt für die ab 60-Jährigen nur noch etwa 7 Prozent des Risikos der 18- bis 29-Jährigen. Die Autoren vermuten, dass diese Gruppe unter anderem über viel Erfahrung für eine sichere Verkehrsteilnahme verfügt.

Als erstmals nach der deutschen Wiedervereinigung für 1991 gesamtdeutsche Unfallzahlen erhoben wurden, zählten die Statistiker rund 240.000 Wegeunfälle. Für das aktuelle Berichtsjahr (2019) lag die Zahl noch bei 186.672. Der Rückgang um mehr als 20 Prozent in den vergangenen 30 Jahren ist insgesamt eine erfreuliche Entwicklung, zweifellos. Bei näherer Betrachtung ergibt sich ein differenzierteres Bild. Das Niveau von 2019 wurde mit rund 188.000 Wegeunfällen erstmals 2004 erreicht, vor 15 Jahren. Seitdem ändert sich an den Zahlen, mit kleineren Ausschlägen nach unten und nach oben, nicht mehr viel. Das heißt demnach, dass alle Präventionsanstrengungen die Zahl der Unfälle nicht mehr weiter senken können. Das gilt übrigens in ähnlicher Weise auch für Arbeitsunfälle.

WORAN DER MANGELNDE PRÄVENTIONSERFOLG SEIT ETWA 15 JAHREN LIEGT, LÄSST SICH NUR VERMUTEN.

Woran der mangelnde Präventionserfolg seit etwa 15 Jahren liegt, lässt sich nur vermuten. Vielleicht sind Verbesserungen technischer Natur nahezu ausgereizt? Vielleicht lässt sich ein bestimmtes Maß an unaufmerksamem Verhalten bei den Menschen einfach nicht mehr unterschreiten? Die gesetzliche Unfallversicherung versucht derzeit mit einer langfristigen Kampagne zu einer „Kultur der Prävention“ neue Wege zu beschreiten. Was dabei herauskommt, wird man abwarten müssen.

Aus Sicht des Arbeitsschutzes kommt bei Wegeunfällen eine weitere Eigenschaft erschwerend hinzu: Auf dem Arbeitsweg hat der Arbeitgeber kein Weisungsrecht. Bei dienstlichen Fahrten hingegen kann er beispielsweise per Betriebsvereinbarung oder Dienstanweisung verbieten, während der Fahrt Nachrichten auf dem Telefon zu lesen und zu schreiben, oder er kann den Gebrauch einer Freisprecheinrichtung beimTelefonieren vorschreiben. Daran muss sich der Mitarbeiter halten, sonst droht eine Abmahnung. Bei der Fahrt zur und von der Arbeit geht das nicht, der Arbeitgeber kann nur versuchen, durch betriebliche Präventionsarbeit bei den Beschäftigten ein Bewusstsein für die Gefahren auf dem Arbeitsweg zu schaffen.

Ein Beispiel für Verkehrssicherheitsarbeit sind Analysen von Wegeunfällen im Betrieb und deren mögliche Prävention. Wenn ein Arbeitnehmer auf dem Weg zur Arbeit durch unvorhersehbare Bedingungen unter Zeitdruck gerät, daraufhin unaufmerksam und unangemessen fährt und einen Unfall verursacht, kann eine Betriebsvereinbarung geschlossen werden, die das sichere Erreichen des Arbeitsortes vor die Pünktlichkeit stellt, sodass erst gar kein Zeitdruck entsteht.

Praxishilfe

Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) hat ein Handbuch zur systema­tischen Verkehrssicherheitsarbeit im Betrieb und in Bildungseinrichtungen veröffentlicht. Es steht unter www.deinewege.info/praevention zum Download bereit.

Text: Franz Roiderer