Die neue CSR-Richtlinie und ihre Folgen

Alles, was Recht ist

Nachhaltigkeit ist ein weit gefasster und eher abstrakter Begriff. Eine neue EU-Richtlinie, die Unternehmen zur erweiterten Berichterstattung über ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten verpflichtet, könnte aber sehr konkrete Auswirkungen auf den Arbeits- und Gesundheitsschutz haben – zum Beispiel auf die Ergonomie.

Text: Anja Ehrmann

Eine ergonomische Gestaltung von Arbeitsplätzen hat vor allem positive Auswirkungen auf die Gesundheit der Mitarbeiter, steigert darüber hinaus aber auch deren Effizienz. Bisher haben sich Unternehmen allerdings eher freiwillig mit dem Thema Ergonomie befasst. Die neue Richtlinie für Corporate Social Responsibility (CSR) könnte dies ändern, denn künftig wird die Berichterstattung über nachhaltige Belange – und damit auch über Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz – für noch mehr Unternehmen zur Pflicht.

Arbeitgeber tun gut daran, in die Gesunderhaltung ihrer Mitarbeiter zu investieren. Denn die Zahlen sprechen für sich: Laut Statistischem Bundesamt war 2022 in Deutschland bereits jeder zweite Mensch über 45 Jahre alt, jeder fünfte älter als 66. Für das Jahr 2050 wird der Anteil der älteren Arbeitnehmer auf 27 Prozent geschätzt. Dabei fallen ältere Arbeitnehmer im Krankheitsfall durchschnittlich länger aus als junge. Nach wie vor sind Muskel-Skelett-Erkrankungen (MSE) der Hauptgrund für Fehltage. Daher müssen frühzeitig Maßnahmen ergriffen werden, um die Gesundheit der Beschäftigten dauerhaft zu schützen. Viele Unternehmen setzen bereits auf eine betriebliche Gesundheitsförderung. Das verringert nicht nur krankheitsbedingte Ausfälle, sondern reduziert auch die Zahl der Arbeitsunfälle.

AUF DEN PUNKT

  • Nachhaltigkeits- und Finanzinformationen sollen gleichgestellt werden
  • Arbeits- und Gesundheitsschutz ist Teil der Coporate Social Responsibility (CSR)
  • Ergonomisch eingerichtete Arbeitsplätze tragen zur Erfüllung der Unternehmerpflichten bei

Arbeitsplatzgestaltung wirkt Fachkräftemangel entgegen

Arbeitsplätze ergonomisch einzurichten, ist eine besonders effektive Maßnahme. Ein verstärkter Einsatz für eine optimal ausgestattete Arbeitsumgebung wirkt sich zudem positiv auf den „War for Talents“ aus. Schließlich ist der Fachkräftemangel ein bedeutendes Geschäftsrisiko unserer Zeit. Sorgen Unternehmen durch flexible Arbeitszeitmodelle für eine ausgewogene Work-Life-Balance, sammeln sie bereits Pluspunkte bei den Bewerbern. Darüber hinaus kann ein ergonomisch gestalteter Arbeitsplatz zum Zünglein an der Waage werden, sodass sich junge Arbeitskräfte für das eine und gegen das andere Unternehmen entscheiden.

Mit dem Richtlinienentwurf der EU-Kommission zur Regelung von unternehmerischen Sorgfaltspflichten in der Lieferkette (EU-Lieferkettengesetz) gewinnt Corporate Social Responsibility immer mehr an Bedeutung. Demnach sind Unternehmen zum sorgfältigen Umgang mit den sozialen und ökologischen Wirkungen in der gesamten Lieferkette verpflichtet. Schon seit 2017 müssen größere ­kapitalmarktorientierte Unternehmen über nicht finanzielle Aspekte berichten, um ihrer sozialen, ökologischen und ökonomischen Verantwortung gerecht zu werden.

Immer mehr Unternehmen müssen über nicht finanzielle Aspekte berichten

Beruhte CSR zunächst auf freiwilligen Maßnahmen zur Inte­gration von Umwelt- und Sozialbelangen in Unternehmertätigkeiten, hat die EU-Kommission in ihren Vorschlag zur Anpassung der CSR-Richtlinie im April 2021 neue Berichtspflichten aufgenommen. Rat, Europäisches Parlament und Kommission einigten sich auf einen Kompromiss, der formal angenommen und am 16. Dezember 2022 veröffentlicht wurde. Durch die Neufassung sollen Nachhaltigkeitsinformationen den gleichen Stellenwert wie die Finanzinformationen eines Unternehmens erhalten. Veröffentlicht ein Unternehmen keinen CSR-Bericht, drohen Bußgelder bis zu 10 Millionen Euro. Die Richtlinie (Corporate Sustainable Reporting Directive, CSRD) ist seit dem 5. Januar 2023 in Kraft und muss von den Mitgliedstaaten innerhalb von 18 Monaten in nationales Recht umgesetzt werden – also bis ­Sommer 2024.

Die neuen Anforderungen gelten ab dem Geschäftsjahr 2024 (also für die Geschäftsberichte ab dem Jahr 2025) für alle Unternehmen, die zuvor schon zur Abgabe einer nicht finanziellen Erklärung verpflichtet waren. Stufenweise werden die Berichtspflichten ausgeweitet: 2025 auf alle anderen großen Unternehmen, ab 2026 auch auf börsennotierte kleine und mittlere Unternehmen. Als groß gelten Unternehmen mit einer Bilanzsumme von 25 Millionen Euro, einem Nettoumsatzerlös von 50 Millionen Euro und ab 250 Mitarbeitern (zwei der drei Kriterien müssen erfüllt sein). Insgesamt sollen in der EU fast 50.000 Unternehmen unter die Berichtspflicht fallen, in Deutschland etwa 15.000.

Gegenstand des Nachhaltigkeitsberichts müssen die eigenen Aktivitäten des Unternehmens sein, aber auch die Wertschöpfungskette muss berücksichtigt werden. Ein zentraler Bestandteil ist das Prinzip der doppelten Wesentlichkeit. Kurz gefasst müssen Unternehmen Nachhaltigkeit unter zwei Aspekten betrachten: zum einen die Einflüsse von außen (zum Beispiel der Klimawandel), die finanzielle Auswirkungen auf das Unternehmen haben; zum anderen das eigene unternehmerische Handeln und dessen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt. Beides müssen Manager und Führungskräfte in die Unternehmensstrategie miteinfließen lassen.

Die konkreten Anforderungen werden in den Nachhaltigkeitsberichtsstandards definiert, den sogenannten „European Sustainability Reporting Standards“ (ESRS). Darin werden folgende Themen abgedeckt:

Umwelt

  • Klimaschutz und Klimaanpassung
  • Wasser- und Meeresressourcen
  • Ressourcennutzung und Kreislaufwirtschaft
  • Umweltverschmutzung
  • Biodiversität und Ökosysteme

Soziales und Menschenrechte

  • Gleichbehandlung und Chancengleichheit
  • Arbeitsbedingungen
  • Achtung der Menschenrechte
  • Governance

Unternehmensethik und Unternehmenskultur

  • Lobbying
  • faire Geschäftsbeziehungen

Zum Nachhaltigkeitsbericht zählt somit auch die Berücksichtigung von Arbeitnehmerbelangen. In dieser Hinsicht sind Angaben zum Gesundheitsschutz und zur Sicherheit am Arbeitsplatz zu machen. Die ergonomische Gestaltung der Arbeitsplätze wird in diesem Zusammenhang immer wichtiger. Arbeitgeber müssen eine nachhaltige und regelmäßige Analyse durchführen sowie Verbesserungen der Arbeitsumgebung umsetzen.

Arbeitsplätze ergonomisch gestalten

Zur grundlegenden Ausstattung von Arbeitsplätzen in der Industrie gehören höhenverstellbare Arbeitstische und individuell anpassbare Arbeitsstühle. Arbeitnehmer können so eine schonende Arbeitshaltung einnehmen und sie jederzeit entsprechend ihrer Tätigkeit verändern. Höhenverstellbare Arbeitstische ermöglichen einen ständigen Wechsel zwischen Stehen und Sitzen. Außerdem können die Arbeitsumgebungen an die Körpergröße unterschiedlicher Mitarbeiter und variierende Bedürfnisse angepasst werden.

Dabei sollte die Dimensionierung des Arbeitstisches gemäß den prozessbedingten Anforderungen erfolgen. Dies betrifft die Größe ebenso wie die Traglast und Beschaffenheit des Tisches. Beispielsweise sollte der Tisch Licht nicht reflektieren und eine angenehme Kontakttemperatur aufweisen. Material sollte optimal im Greifraum des Mitarbeiters platziert werden können, um die ergonomische Arbeitsweise bestmöglich zu unterstützen.

Der Arbeitsstuhl sollte einen häufigen Wechsel der Sitzposition ermöglichen. Erforderlich ist eine synchrone Bewegung von Sitzfläche und Rückenlehne. Dabei ist die Sitzfläche im optimalen Fall leicht nach vorn geneigt und drehbar. Auch die Rückenlehne sollte sich in der Neigung und Höhe verstellen lassen – mit justierbarem Gegendruck.

Win-win-Situation für Unternehmen und Personal

Teilnehmer einer Studie, die das Unternehmen item Industrietechnik GmbH durchgeführt hat, bewerteten die optimale Beleuchtung als wichtigste Anforderung an ein Arbeitsplatzsystem. Denn Mitarbeiter ermüden schneller, wenn der Arbeitsbereich beispielsweise durch flackerndes Licht oder Multischatten nicht ideal ausgeleuchtet wird. Auch Details wie ungünstige Farbtemperaturen wirken sich dauerhaft negativ auf die Leistungsfähigkeit aus. Unternehmen sollten daher auf hochwertige, moderne Lösungen setzen, um den Arbeitsbereich perfekt auszuleuchten. Richtwerte für die ideale Beleuchtung in unterschiedlichen Situationen geben zahlreiche Normen und Gesetze. Dabei sollte die Beleuchtungsstärke direkt auf die Mitarbeiter abgestimmt werden, da die Mindestanforderungen oft als nicht optimal empfunden werden.

Zusätzlich zur Beleuchtung spielen bei der ergonomischen Verbesserung des Arbeitsplatzes die Gestaltung des Greifraumes, die Möglichkeiten der Informationsbereitstellung sowie die Berücksichtigung intralogistischer Prozesse und Aspekte der Lean Production – also der „schlanken“, effizienten Produktion, bei der Verschwendung vermieden wird – eine große Rolle. Maximale Flexibilität bietet da ein Baukastensystem aus modularen Komponenten, mit dem sich industrielle Arbeitsplätze einfach und unkompliziert erweitern, verändern und an unterschiedliche Anforderungen anpassen lassen – abgestimmt auf den Prozess und die Beschäftigten.

Viele Arbeitgeber haben längst erkannt, dass der Erfolg und der Vermögenswert eines Unternehmens auf dem Einsatz gesunder, motivierter und leistungsorientierter qualifizierter Mitarbeiter beruhen. Daher gilt es, Arbeitskräfte mit einer ergonomischen Arbeitsplatzgestaltung bestmöglich zu unterstützen und somit eine Win-win-Situation für Mensch und Unternehmen zu schaffen. Noch dazu als ein Puzzleteil der neuen CSR-Richtlinie, die damit ganz konkret mit Leben gefüllt wird und dazu beiträgt, die Arbeitsbedingungen zu verbessern.

DIE AUTORIN:
Anja Ehrmann arbeitet als Redakteurin bei additiv. Die Kommunikationsagentur ist unter anderem für die Öffentlichkeitsarbeit der item Industrietechnik GmbH zuständig. Das Unternehmen aus Solingen ist weltweiter Marktführer bei Systembaukästen für industrielle Anwendungen. Item entwickelt und vertreibt Lösungen zum Bau von Maschinen, Betriebseinrichtungen und Anlagen.