Gut jedes vierte mittelständische Unternehmen erstellt Nachhaltigkeitsbericht
Breite Mehrheit der Unternehmen befürwortet verpflichtende Erstellung und Prüfung der Berichte. Vorteile für den Umwelt- und Klimaschutz und das Image der Unternehmen. Bei nationaler Umsetzung der europäischen CSRD-Richtlinie offenen Markt für qualifizierte Prüfdienstleister schaffen.
Gut jedes vierte mittelständische Unternehmen in Deutschland hat in den vergangenen Jahren bereits einen Nachhaltigkeitsbericht erstellt (28 Prozent). Bei Mittelständlern mit 50 bis 249 Mitarbeitenden sind es 23 Prozent und bei den großen mit 250 bis 1.000 Beschäftigten sogar 53 Prozent. Das hat eine Forsa-Umfrage im Auftrag des TÜV-Verbands unter 500 Unternehmen mit 50 bis 1.000 Mitarbeitenden ergeben. Demnach ist die Industrie mit einem Anteil von 41 Prozent Vorreiter bei der Erstellung der Berichte, gefolgt von den Branchen Energie, Bau und Verkehr mit 30 Prozent und dem Dienstleistungssektor mit 26 Prozent. Deutlich unter dem Durchschnitt liegt der Handel (22 Prozent) und das Gesundheitswesen (16 Prozent). Nur 60 Prozent der Unternehmen veröffentlichen ihren Nachhaltigkeitsbericht. „Nachhaltigkeitsberichte sind ein wichtiges Instrument, um Maßnahmen für den Umwelt- und Klimaschutz zu dokumentieren, zu bewerten und anzustoßen“, sagte Dr. Joachim Bühler, Geschäftsführer des TÜV-Verbands, bei Vorstellung der Umfrage. Mit der Umsetzung der europäischen CSRD-Richtlinie in nationales Recht wird die Erstellung und externe Prüfung von Nachhaltigkeitsberichten für rund 15.000 Unternehmen in Deutschland verpflichtend. „Jetzt kommt es darauf an, einen offenen Markt für Prüfdienstleistungen zu schaffen, um Kapazitätsengpässe und hohe Kosten für den Mittelstand zu vermeiden“, sagte Bühler. In der Umfrage geben 80 Prozent der befragten Unternehmen an, dass ein möglichst „breites Angebot unabhängiger Prüforganisationen“ zur Verfügung stehen sollte.
In einem Nachhaltigkeitsbericht informieren Unternehmen über Maßnahmen für einen besseren Umwelt- und Klimaschutz sowie über soziale und wirtschaftliche Aspekte ihrer Tätigkeit. Letztere umfassen beispielsweise die Arbeitsbedingungen im Unternehmen und bei Lieferanten. Laut den Ergebnissen der Umfrage bringen die Nachhaltigkeitsberichte den Unternehmen zahlreiche Vorteile: 75 Prozent nennen eine Steigerung der Energieeffizienz, 66 Prozent die Reduzierung von Materialverbräuchen und 65 Prozent eine Verringerung von Abfall. Aber auch „weiche Faktoren“ spielen eine wichtige Rolle: Die Verbesserung des Images (88 Prozent), eine bessere Integration von Nachhaltigkeit in die Unternehmensstrategie (86 Prozent) oder die Erfüllung gesetzlicher Vorschriften (82 Prozent). „Neben positiven Effekten für die Umwelt können Unternehmen in ihren Nachhaltigkeitsberichten die erzielten Kosteneinsparungen dokumentieren“, sagte Bühler. Weitere Vorteile von sind eine bessere Kundenbindung (64 Prozent) und eine höhere Arbeitgeberattraktivität (59 Prozent). Die Unternehmen sehen darüber hinaus positive Effekte der Nachhaltigkeitsberichterstattung für die Wirtschaft insgesamt. 87 Prozent sagen, dass einheitliche Standards eine bessere Vergleichbarkeit der Berichte ermöglichen. 84 Prozent stimmen der Aussage zu, dass die Berichte den Bewusstseinswandel in Richtung nachhaltiges Wirtschaften fördern.
Unternehmen orientieren sich an Standards und Rahmenwerken
Gut jedes zweite mittelständische Unternehmen (51 Prozent), das einen Nachhaltigkeitsbericht erstellt, orientiert sich an bekannten Standards oder Rahmenwerken wie den Vorgaben der Global Reporting Initiative (GRI) oder des Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK). Und 41 Prozent haben ihre Berichte von unabhängigen Stellen prüfen lassen. „Einheitliche Standards helfen den Unternehmen bei der Erstellung ihrer Nachhaltigkeitsberichte und sorgen für eine bessere Vergleichbarkeit“, sagte Bühler. „Nur so können die Berichte als verlässliche Informationsquelle für Investoren, Kapitalanleger, Medien und andere Stakeholder dienen.“ Als größte Vorteile einer externen Prüfung der Berichte sehen die Befragten eine unabhängige Bewertung der enthaltenen Informationen (79 Prozent), eine bessere Vergleichbarkeit (79 Prozent) und eine höhere Glaubwürdigkeit bei den Stakeholdern (77 Prozent).
Die im November 2022 verabschiedete Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) sieht vor, dass Nachhaltigkeitsberichte künftig verpflichtend werden und die Inhalte wie bei Finanzberichten von externen Stellen geprüft werden müssen. Zuvor muss die CSRD in nationales Recht umgesetzt werden. Laut Umfrage haben sich bisher erst 42 Prozent der mittelständischen Unternehmen mit den Anforderungen der Richtlinie auseinandergesetzt, bei 57 Prozent ist das noch nicht der Fall. Neben den Vorteilen sehen die Befragten auch zahlreiche Herausforderungen bei der Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten. Die meisten nennen den hohen bürokratischen Aufwand (92 Prozent), mangelnde personelle Ressourcen (78 Prozent) und fehlendes Wissen über die konkreten Anforderungen eines Nachhaltigkeitsberichts (70 Prozent). 64 Prozent sehen Probleme bei der Berechnung des eigenen CO2-Fußabdrucks und 45 Prozent klagen über mangelnde finanzielle Ressourcen für die Erstellung der Berichte. Trotz dieser Herausforderungen überwiegen für eine breite Mehrheit der befragten Unternehmen die positiven Wirkungen: 62 Prozent finden es gut, dass Nachhaltigkeitsberichte einen ähnlichen Stellenwert bekommen wie die Finanzberichterstattung.
Mittelstand bevorzugt technische Sachverständige als Prüfer ihrer Nachhaltigkeitsberichte
Aus Sicht des TÜV-Verbands sollte die Umsetzung der CSRD so mittelstandsfreundlich wie möglich erfolgen. Zentraler Faktor dafür ist ein breites Angebot an Dienstleistern für die Prüfung der Nachhaltigkeitsberichte, um Kapazitätsengpässe und daraus resultierend hohe Kosten zu vermeiden. Nach den aktuellen Plänen des federführenden Bundesjustizministeriums (BMJ) sollen für die Prüfung der Berichte aber ausschließlich Wirtschaftsprüfer wie KPMG, PwC, Deloitte oder EY zugelassen werden. „Wir brauchen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung eine Lex Mittelstand“, sagte Bühler. „Auch technische Sachverständige sollten Prüfungen von Nachhaltigkeitsberichten vornehmen dürfen.“ Die technischen Prüforganisationen verfügten nicht nur über Erfahrungen bei der Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten, sondern zertifizieren Umweltmanagementsysteme, verifizieren den CO2-Fußabdrucks von Unternehmen oder nehmen Lieferkettenaudits vor.
Die befragten mittelständischen Unternehmen erkennen dieses Know-how an. Drei von vier geben an, dass unabhängige technische Prüforganisationen die Kompetenz für die Prüfung von Nachhaltigkeitsberichten haben (74 Prozent). Mit weitem Abstand folgen NGOs (32 Prozent), staatliche Behörden (31 Prozent) und die Wirtschaftsprüfer (27 Prozent). Eine große Mehrheit von 74 Prozent der mittelständischen Unternehmen würde ihren Nachhaltigkeitsbericht am ehesten von einer technischen Prüforganisation zertifizieren lassen, wenn sie die Wahl hätten.
Die Forderung nach einem möglichst offenen Prüfmarkt unterstützen neben dem TÜV-Verband als Vertretung der technischen Prüforganisationen die Wirtschaftsverbände der Chemischen Industrie (VCI), des Maschinen- und Anlagenbaus (VDMA), der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI), der Textilindustrie (Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie) sowie der Wirtschaftsverband Stahl- und Metallverarbeitung (WSM) und die WirtschaftsVereinigung Metalle. Die Verbände haben sich mit dieser Empfehlung kürzlich an die zuständigen Bundesministerien gewandt.
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