„Heterogenität kann ein Geschenk sein“

Motivierte Mitarbeiter, eine bessere Arbeitsatmosphäre und eine höhere Produktivität: Unternehmen erhoffen sich viel von Teambuildingmaßnahmen. Auf was Führungskräfte dabei achten und welche Fehler sie vermeiden sollten, erklärt Change-Management-Expertin Caroline Zielke im Interview mit PRÄVENTION AKTUELL.

 

Frau Zielke, viele Unternehmen sehen in ihrer Belegschaft mehr als die Summe der Mitarbeiter und ergreifen Maßnahmen zum Teambuilding. Was verbirgt sich hinter dem Begriff?

Caroline Zielke: Der Begriff „Teambuilding“ beschreibt üblicherweise den Prozess, bei dem sich Mitglieder eines Teams näherkommen, ein Gemeinschaftsgefühl entsteht und die Beziehung zueinander gestärkt wird. Wortwörtlich „baut sich ein Team auf“ und geht stärker aus dem Prozess hervor als die Gruppe von Menschen, die gestartet ist.

Was bringt mir das als Unternehmen, wenn sich meine Belegschaft als Team sieht?

Zielke: Ein starkes Gefühl der Verbundenheit untereinander löst positive Dinge aus: Auf der Beziehungsebene bedeutet das, dass Vertrauen da ist und man sich als Teil eines Teams sicher fühlt. Für das einzelne Teammitglied führt das dazu, dass man sich wohlfühlt im Miteinander und sich öffnen kann. Zusätzlich erhöht das Gemeinschaftsgefühl die Motivation, zusammen ein Ziel zu erreichen und sich dafür einzubringen ins Team. So werden bessere Ergebnisse erzielt und die Energie jedes Einzelnen im Team ist höher und trägt dazu bei, mehr zu erreichen. Kurz gesagt: Die Produktivität und Motivation, ein Ziel zu erreichen, sind im Team größer.

Von interner Kommunikation über Verhandlungsgeschick bis hin zu unkonventionellem Denken – was müssen Führungskräfte können? Unsere sechsteilige Management-Serie beschäftigt sich mit diesen Themen. Teil 2: Teambuilding

Sind das die einzigen Vorteile, die Unternehmen durch Teambuilding erreichen?

Zielke: Das Thema Teambuilding proaktiv anzugehen hilft dabei destruktiven Konflikten vorzubeugen, und verbessert die Stimmung untereinander. Ein starkes Team ist in der Lage, gemeinsam zu wachsen, Konflikte zu lösen, ohne gleich die Beziehungsfrage zu stellen, und sich in schwierigen Zeiten gegenseitig zu motivieren. Insgesamt trägt das zu einer positiv geprägten Unternehmenskultur bei und zu einer entspannteren Atmosphäre, in der man gerne arbeitet.

Und das wird erreicht durch einen Besuch im Kletterwald oder eine Raftingtour?

Zielke: Das dachten zumindest die meisten eine lange Zeit, wenn es um Teambuilding ging. Heute liegt der Fokus mehr darauf, wie man die Zusammenarbeit im Team so gestalten kann, dass es einerseits produktiv ist, aber auch die Bedürfnisse der einzelnen Mitglieder erfüllt.

Management-Serie Teil 2: Teambuilding: „Heterogenität kann ein Geschenk sein“
Illustration: shutterstock .com/ Boyko.Pictures

„ES GEHT DARUM, EINEN OPTIMALEN MIX AN STÄRKEN ZU KREIEREN UND SO SCHWÄCHEN EINZELNER AUSZUGLEICHEN“

Es gibt also auch andere Ansätze?

Zielke: Ein Ansatz ist zum Beispiel, bei der Zusammenstellung eines Teams darauf zu achten, dass verschiedene Persönlichkeitsprofile sich optimal ergänzen. Es geht darum, einen optimalen Mix an Stärken zu kreieren und so Schwächen Einzelner auszugleichen. Die Vielfalt an Perspektiven führt zu besseren Lösungen für ein Problem. Entsprechend spiegelt sich der Wunsch danach in den Teambuildingmethoden wider: Es geht nicht nur darum, zusammen eine gute Zeit zu haben, sondern sich menschlich anzunähern und eine Atmosphäre zu schaffen, in der sich alle im Team sicher fühlen und offen ihre Bedürfnisse kommunizieren können. Sicherlich kann das auch mal im Hochseilgarten stattfinden, aber echte Konflikte wird eine solche Aktion nicht lösen. Dafür braucht es tiefer gehendes Verständnis füreinander, das im Dialog miteinander entsteht.

Sollten Teambuildingmaßnahmen besser für die ganze Belegschaft angewendet werden oder eher auf einzelne Abteilungen oder Arbeitsgruppen?

Zielke: Das hängt ganz vom Ziel der Maßnahme ab: Wenn es darum geht, eine gemeinsame Identität im Unternehmen zu schaffen, dann ist es wichtig, die ganze Belegschaft einzubeziehen. Nur so fühlen sich alle repräsentiert und es kann ein übergreifendes Gemeinschaftsgefühl entstehen. Durch das Gefühl der Zugehörigkeit ist der Einzelne dann in der Lage, sich wirklich mit dem Unternehmen zu identifizieren. Wenn es aber darum geht, wie die Zusammenarbeit von verschiedenen Arbeitsgruppen oder Abteilungen verbessert und gestärkt werden kann, würde ich mit den Maßnahmen auch auf dieser Ebene ansetzen. Hier braucht es mehr Tiefe, damit Vertrauen untereinander entsteht und sich jeder gehört und gesehen fühlt von den anderen Teammitgliedern. Da sind Mitarbeiter aus anderen Bereichen manchmal zu weit weg, als dass es eine unmittelbare Relevanz für meine tägliche Arbeit hat. Meine Empfehlung wäre aber, auf beide Facetten zu achten: eine starke Identifikation mit dem Unternehmen zu schaffen und auf Teamebene für bestmögliche Zusammenarbeit zu sorgen. Die Kombination von beidem ist optimal.

Management-Serie Teil 2: Teambuilding: „Heterogenität kann ein Geschenk sein“
Change-Management-Expertin Caroline Zielke. Foto: Dr. Kraus & Partner

„ECHTE KONFLIKTE IM TEAM WERDEN NICHT BESSER, WEIL MAN EIN RUDERBOOT ZUSAMMEN ÜBER DEN SEE BRINGEN MUSS“

Wie finde ich als Führungskraft heraus, welche Teambuildingmethode am besten bei meiner Belegschaft wirkt und angewendet werden sollte?

Zielke: Das gelingt mir als Führungskraft am besten, wenn ich versuche, das „Defizit“ konkret zu benennen: Ist die Stimmung untereinander gut und es gibt lediglich eine Sehnsucht nach mehr Zeit zusammen und Spaß? Dann sollte ich eine Methode wählen, die dem Team ermöglicht, sich auszutauschen, die Spaß macht und tolle gemeinsame Momente möglich macht. Wenn meine Beobachtung aber ist, dass sich regelmäßig Fronten bilden und Konflikte entstehen, dann sollte die Wahl auf eine Methode fallen, bei der Dialog im Fokus steht. Hier ist weniger mehr, weil zu viel Ablenkung den Fokus vom eigentlichen Problem lenkt. Echte Konflikte im Team werden nicht besser, weil man ein Ruderboot zusammen über den See bringen muss.

Können Sie das Vorgehen skizzieren, wenn ich ­Teambuildingmaßnahmen planen möchte?

Zielke: Idealerweise werden die unterschiedlichen Bedürfnisse der Teams sauber erfasst und dazu passende Methoden ausgewählt. Wenn ich klare Ziele setzen kann – zum Beispiel, dass sich ein Team für eine bevorstehende konkrete Herausforderung stärken soll –, dann muss die Maßnahme dazu passen. Was den Zeitpunkt betrifft, sollte ein Teambuilding so gewählt werden, dass es für die Teilnehmer passend ist. Unbedingt sollten alle relevanten Personen verfügbar sein und nicht von vorneherein ohne einzelne Mitglieder geplant werden. Sobald es Vorschläge für geeignete Methoden gibt, sollte zudem sichergestellt werden, dass die Mehrheit die Auswahl angemessen findet und zustimmt. Sonst passiert es schnell, dass das eigentliche Ziel verfehlt wird und eventuell der Frust hinterher größer ist als vorher.

Ist es sinnvoller, ein großes Teambuilding-Event zu organisieren oder besser viele kleinere, die aber kontinuierlich stattfinden?

Zielke: Grundsätzlich sollte das Teambuilding so gestaltet sein, dass genug Zeit ist, um alle wichtigen Themen zusammen anzugehen. Da kann es helfen, sich für ein paar Tage ganz aus dem alltäglichen Geschehen rauszunehmen und Abstand zu gewinnen, indem man das Teambuilding zum Beispiel offsite, also außerhalb des Tagesgeschäfts, macht. Das ist besonders sinnvoll, wenn das Teambuilding sozusagen als „Intervention“ genutzt wird, weil die Not schon groß ist. Wenn das aber dazu führt, dass alle gestresst sind, weil gerade ohnehin schon der Druck groß ist und man zusätzlich noch private Verpflichtungen versäumen würde, dann sollte das berücksichtigt werden. Es kann auch gut funktionieren, regelmäßig kleinere Maßnahmen durchzuführen und Vereinbarungen zu treffen, die dazwischen eingehalten werden sollen. So kann ein Team über einen längeren Zeitraum zusammenwachsen.

DIE ZEHN WICHTIGSTEN SOZIALEN EIGENSCHAFTEN FÜR ERFOLGREICHE TEAMARBEIT

85 %

KOMMUNIKATIONS­FÄHIGKEIT

63 %

LERN­BEREITSCHAFT

85 %

ZUVER­LÄSSIGKEIT

61 %

TOLERANZ

79 %

KRITIK­FÄHIGKEIT

52 %

EIN­FÜHLUNGS­­VERMÖGEN

78 %

KOOPERATIONS­BEREITSCHAFT

48 %

AN­PASSUNGS­­FÄHIGKEIT

76 %

VER­ANTWORTUNGS­BEWUSST­SEIN

35 %

INTER­KULTURELLE KOMPETENZ

Für die Studie hat die Online-Jobplattform StepStone deutschlandweit 14.000 Fach- und Führungskräfte befragt.

Quelle: StepStone-Studie „Erfolgsgeheimnis Team“ (2019)

Belegschaften sind meist heterogene Gebilde. Ist es überhaupt möglich, daraus ein Team zu bilden?

Zielke: Heterogenität ist in dem Kontext etwas sehr Positives – wenn sie richtig genutzt wird! Die Mischung aus verschiedenen Perspektiven trägt dazu bei, dass bessere Lösungsvorschläge entstehen, weil der Diskurs untereinander geübt wird. Wichtig ist nur, dass die Bedürfnisse aller offen kommuniziert werden und dass man sich gemeinsam darauf einigt, wie die Zusammenarbeit gestaltet wird. Geht man offen mit verschiedenen Vorlieben und Stilen um, führt das idealerweise dazu, dass jeder seine Stärken optimal einbringen kann und ein besseres Ergebnis entsteht. Anders gesagt: Je höher der Reifegrad eines Teams ist, desto besser können sich Einzelne so einbringen, dass zusammen etwas Großartiges entsteht. Dann ist Heterogenität kein Hindernis, sondern ein Geschenk. Denn das Resultat kann nur besser sein, als wenn eine einzelne Person mit ihren Stärken und Schwächen daran arbeitet.

Kann ich auch Fehler beim Teambuilding machen und vielleicht sogar das Gegenteil erzeugen?

Zielke: Die Gefahr, dass ein Teambuilding nicht zum gewünschten Ergebnis führt, besteht immer dann, wenn das Ziel nicht klar ist und pauschal etwas verordnet wird. Außerdem spielt die Freiwilligkeit der Teilnehmer beziehungsweise Zustimmung zur Maßnahme eine wichtige Rolle. Wenn beispielsweise ein Konflikt sich immer wieder um eine bestimmte Person dreht und die Wahl der Teambuildingmethode das nicht aufgreift, dann können schnell unangenehme Momente entstehen. Niemand möchte durch ein Teambuilding bloßgestellt werden oder viel Zeit mit etwas verbringen, was Spaß machen soll, aber am Kern des Problems vorbeigeht.

Welche Fehler sind das?

Zielke: Fehler passieren dann, wenn der Grund für ein Teambuilding nicht klar ist, die Methode nicht zum Ziel passt oder die Durchführung die Situation der Teilnehmenden nicht berücksichtigt. Wenn ich die Maßnahme aber daran ausrichte und alles beachte, dann kann etwas Tolles zusammen entstehen und ein Team geht gefestigt daraus hervor.

Interview: Falk Sinß