„Ohne Impfpflicht kann der Arbeitgeber keine Impfung verlangen“
Herr Eckes, kann der Arbeitgeber mich zur Corona-Schutzimpfung verpflichten?
Derzeit besteht in Deutschland keine gesetzliche Pflicht zur Corona-Impfung. Ob sich jemand impfen lässt, ist eine persönliche, freie Entscheidung. Dies gilt auch für Arbeitnehmer. Ohne eine gesetzliche Impfpflicht kann der Arbeitgeber von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern keine Impfung verlangen. Einschränkend ist aber anzumerken, dass sich die Gesetzeslage jederzeit ändern kann. So kann der Gesundheitsminister etwa gemäß § 20 Absatz 6 Infektionsschutzgesetz (IfSG) eine Impfpflicht für „bedrohte Teile der Bevölkerung“ per Rechtsverordnung einführen.
Gibt es Berufsfelder, bei denen der Arbeitgeber das doch verlangen kann, etwa in der Altenpflege, im Krankenhaus oder Schulen und Kitas?
Eine gesetzliche Impfpflicht gibt es bislang auch nicht für Mitarbeiter im Gesundheits- und Pflegewesen. Auch die Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention, die KRINKO, beim Robert-Koch-Institut hat bislang keine Empfehlung für arbeitsrechtlich verpflichtende Corona-Impfungen für bestimmte Berufsgruppen ausgesprochen. Die Kommission hat dies damit begründet, dass bislang erst wenige Erkenntnisse zur Dauer des Immunschutzes und zur Übertragbarkeit einer Infektion trotz Impfung vorliegen.
Künftig ist aber eine Impfempfehlung der Kommission denkbar und meiner Meinung nach zu erwarten, sobald entsprechende Daten vorliegen. Da gemäß § 23 Absatz 3 IfSG in medizinischen Einrichtungen die nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft erforderlichen Maßnahmen getroffen werden müssen, um Infektionen zu vermeiden, würde eine solche Impfempfehlung dazu führen, dass nicht geimpfte Arbeitnehmer in diesen Einrichtungen nicht mehr oder nur noch in anderen Tätigkeitsgebieten ohne Patientenkontakt eingesetzt werden können. Dies gilt nicht nur für Arbeitnehmer in der direkten und indirekten Patientenversorgung, sondern kann dann auch für sonstige Berufsgruppen in diesen Einrichtungen gelten, wie zum Beispiel Reinigungskräfte, Haustechniker, Küchenmitarbeiter oder Fahrer im Patiententransport.
Wenn der Arbeitgeber diese Arbeitnehmer dann nicht anderweitig beschäftigen kann, können sie ihrer vertraglichen Arbeitsverpflichtung nicht mehr nachkommen. Dann könnte eine Corona-Impfung zur Einstellungsvoraussetzung werden und Arbeitnehmer, die sich nicht impfen lassen, gekündigt werden. Stand heute sind aber auch Mitarbeiter im Gesundheitswesen nicht zur Impfung verpflichtet.
Darf der Arbeitgeber meinen Impfstatus abfragen?
So lange die Impfung eine freiwillige Privatsache der Mitarbeiter ist, hat der Arbeitgeber auch keinen Anspruch auf Auskunft über den Impfstatus der Mitarbeiter. Sollte die KRINKO beim Robert-Koch-Institut aber eine Impfempfehlung aussprechen, so werden Mitarbeiter in den betroffenen Einrichtungen des Gesundheitswesens ihren Impfstatus künftig dem Arbeitgeber mitteilen müssen.
Darf der Arbeitgeber mich, je nach persönlichem Impfstatus, anders behandeln als Kollegen, die einen anderen Impfstatus haben? Denkbar wäre zum Beispiel, das geimpfte Mitarbeiter in Gemeinschaftsbüros arbeiten können und Zugang zur Kantine bekommen, während Nichtgeimpfte in Einzelbüros müssen und nicht in die Kantine dürfen.
Arbeitnehmer eines Betriebs sind stets unter Einhaltung des Gleichheitsgrundsatzes zu behandeln. Solange keine gesetzliche Impfpflicht besteht, darf keine unterschiedliche Behandlung erfolgen. Dies ändert sich aber bei Einführung einer gesetzlichen Impfpflicht. Der Arbeitgeber hat gemäß § 106 GewO ein Direktionsrecht hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Mitarbeiter im Betrieb. Zudem hat der Arbeitgeber das Hausrecht in den Betriebsstätten inne. So kann Mitarbeitern, die sich trotz Impfpflicht nicht impfen lassen oder ihren Impfstatus nicht preisgeben, der Zugang zu den Betriebsgeländen untersagt werden. Wenn Mitarbeiter wegen ihres Impfstatus unterschiedlich behandelt werden sollen, muss sich der Arbeitgeber jedoch auf zur Verfügung stehende mildere Mittel verweisen lassen. So kann statt der Zugangssperre zur Kantine für Nichtgeimpfte beispielsweise ein Schnelltest angeboten werden und zu Hygienemaßnahmen wie dem Maskentragen verpflichtet werden.
Darf der Arbeitgeber nichtgeimpften Mitarbeitern den Zutritt zum Unternehmen verweigern und zum Beispiel anordnen, dass diese weiter im Homeoffice arbeiten müssen, sofern dies möglich ist?
Der Tätigkeitsort eines Arbeitnehmers ist im Arbeitsvertrag vereinbart. Der Arbeitgeber kann nicht einseitig Homeoffice anordnen, sofern dies nicht vertraglich oder gesetzlich (wie im Fall der Corona-Verordnungen der Bundesländer geschehen) anderweitig vorgesehen ist. Jedoch hat der Arbeitgeber das Hausrecht in den Betriebsstätten. Er kann Mitarbeitern den Zutritt verweigern. Geschieht dies unrechtmäßig, bleibt allerdings der Anspruch auf Zahlung des Arbeitslohns bestehen.
Müssen Arbeitnehmer mit negativen Konsequenzen rechnen, falls sie eine Impfung ausschlagen und anschließend an Corona erkranken und dadurch vorübergehend arbeitsunfähig werden.
So lange es keine gesetzliche Impfpflicht gibt, wird man bei einer Corona-Erkrankung kaum sagen können, dass Arbeitnehmer durch die Nichtimpfung pflichtwidrig ihre Arbeitsunfähigkeit herbeiführen. Hinzu kommt, dass bislang keine ausreichenden Daten über die Wirkung der Impfungen vorliegen. Arbeitsrechtliche Konsequenzen sind deshalb bei einer vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer Erkrankung derzeit nicht zu befürchten.
Aber Anreize zur Impfung darf der Arbeitgeber schaffen?
Denkbar sind einmalige Bonuszahlungen, Sachleistungen oder zusätzliche Urlaubstage als Impfbonus. Bei diesen Leistungen muss es sich aber um bloße Anreize handeln, ohne dass dadurch Druck auf die freie Entscheidung der Arbeitnehmer, ob sie sich impfen lassen wollen, ausgeübt wird.
Beschäftigte haben kaum bis keinen Einfluss auf die Terminvergabe bei Impfungen. Darf der Arbeitgeber mir die Wahrnehmung eines Impftermins untersagen, wenn dieser in die Arbeitszeit fällt?
Arbeitnehmer müssen Arztbesuche grundsätzlich außerhalb ihrer Arbeitszeit durchführen. So lange jedoch kaum Wahlmöglichkeiten hinsichtlich der Impftermine bestehen, werden Arbeitnehmer in der Regel auf § 616 BGB verweisen und einen Anspruch auf bezahlte Freistellung für den Impftermin geltend machen können. Zu beachten ist aber, dass viele Arbeits- und Tarifverträge abweichende Regelungen vorsehen. Da die Impftermine meist mit längerem Vorlauf vergeben werden, wird sich der Betriebsablauf beim Arbeitgeber auch so organisieren lassen, dass der Freistellung keine überragenden betrieblichen Gründe entgegenstehen. Der Arbeitgeber hat dann kein Recht, die Wahrnehmung des Impftermins während der Arbeitszeit zu untersagen.
Vielen Dank für das Interview.
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