„Vernetztes und automatisiertes Fahren macht den Verkehr sicherer, effizienter, komfortabler“
Das vernetzte und automatisierte Fahren ist ein Schlüsselthema für die individuelle Mobilität der Zukunft und einer der wichtigsten Innovationstreiber für die deutsche Automobilindustrie. Warum das so ist, erklärt Dr. Jochen Damasky, Geschäftsführer Technik und Umwelt des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), im Interview mit Prävention aktuell.
Wie sieht der Verkehr der Zukunft aus? Welche Rolle werden selbstfahrende Autos darin spielen? Oder werden wir gar keine selbstfahrenden Autos, sondern nur halbautomatische Autos erleben?
Damasky: Das vernetzte und automatisierte Fahren ist ein Schlüsselthema für die individuelle Mobilität der Zukunft und einer der wichtigsten Innovationstreiber für die deutsche Automobilindustrie. Schon heute sind viele Neuwagen mit modernen Kommunikationstechnologien und Fahrassistenzsystemen ausgestattet. Diese leisten bereits heute einen wichtigen Beitrag zur Verkehrssicherheit, indem sie den Fahrer in schwierigen oder unterfordernden Situationen unterstützen oder ihn mit Signalen auf Gefahren hinweisen – beim Stop-and-Go, im Stau, bei monotonen Autobahnfahrten mit Geschwindigkeitsbegrenzung, beim Abstandhalten zum Vordermann, beim plötzlichen Abbremsen, Einparken in unübersichtlichen Parkhäusern, beim Spurwechsel oder Abbiegen. Der Anteil dieser Technik an der gesamten Wertschöpfung des Autos wird in den kommenden Jahren noch deutlich zunehmen. Derzeit befinden wir uns in der Phase, in der auf der Grundlage von Fahrerassistenzsystemen automatisierte Fahrfunktionen entstehen. Bei diesen können Teile der Fahraufgabe vom System übernommen werden, so dass der Fahrer diesen Teil der Fahraufgabe nicht mehr überwachen muss. Das System meldet selbständig, wenn es an seine Funktionsgrenzen kommt und fordert den Fahrer aktiv zur Übernahme auf.
Das autonome, also das fahrerlose Fahren, ist am Ende der Vision, da müssen wir uns noch etwas gedulden. Die Entwicklung dahin erfolgt Schritt für Schritt.
Woran hakt das autonome Fahren noch?
Damasky: Wie gesagt, mit dem autonomen Fahren ist nicht in naher Zukunft zu rechnen, zunächst einmal geht es um die schrittweise Einführung von automatisierten Fahrfunktionen. Hier bedarf es ganz klar der Rechtssicherheit für den Kunden und für den Hersteller. Entscheidend ist dabei eine gesetzliche Klarstellung, dass das Einschalten einer automatisierten Fahrfunktion an sich keinen Fahrlässigkeitsvorwurf nach sich zieht. In diesem Zusammenhang sollte auch eine gesetzliche Einführung eines Datenspeichers für das automatisierte Fahren auf den Weg gebracht werden.
Da ist die Politik erfreulicherweise gerade mit Nachdruck dran, wie von Bundesminister Dobrindt angekündigt.
Was schätzen Sie, bis wann werden die ersten selbstfahrenden Autos ganz selbstverständlich im Straßenverkehr unterwegs sein?
Damasky: Das automatisierte Fahren wird zunächst auf der Autobahn Einzug halten, denn dort ist die Verkehrssituation nicht so komplex wie in der Innenstadt: Es gibt keinen Quer- oder Gegenverkehr, alle Fahrzeuge bewegen sich in eine Richtung und die baulichen Randbedingen sind gut für die Erfassung durch die Fahrzeugsensoren. Auch werden wir in naher Zukunft erste Beispiele für digitale, speziell ausgestattete Parkhäuser sehen, in denen Autos dann selbständig parken können. Wenn die Rahmenbedingungen für die Zulassung und Nutzung solcher Systeme geschaffen sind, wird man entsprechende Systeme erleben können. Eins steht bei all dem aber fest: Bei automatisierten Fahrfunktionen wird in den kommenden Jahren weiterhin der Fahrer am Steuer sitzen und im Bedarfsfall das „Kommando“ übernehmen. Bis es fahrerlose Autos in Privatkundenhand gibt, wird es noch dauern.
Momentan steht die Bevölkerung verschiedenen Umfragen zufolge der Technik noch zurückhaltend gegenüber. Wie lässt sich ein Stimmungswandel erzeugen?
Damasky: Das wird in erster Linie davon abhängen, ob die Menschen Vertrauen zum automatisierten Fahren fassen. Von der Vision vom fahrerlosen Auto sind heute noch nicht alle überzeugt. Da aber schon heute die Nachfrage nach Fahrzeugen mit digitaler Technik steigt, gehe ich davon aus, dass mit der schrittweisen Entwicklung hin zum autonomen Fahren auch die Akzeptanz zunehmen wird. Fahrzeuge mit automatisierten Fahrfunktionen erscheinen aus heutiger Sicht jedenfalls perspektivisch sicherer zu sein als Fahrzeuge mit einem menschlichen Fahrer. Sie fahren stets regelkonform, immer vorausschauend und sind deutlich weniger fehleranfällig als der Mensch. Sie werden nie müde und sind nie abgelenkt. Zudem haben sie Sensoren und Informationen an Bord, um den Fahrer, auch wenn er selber fährt, jederzeit zu unterstützen und in kritischen Situationen Unfälle zu verhindern. All das erhöht die Verkehrssicherheit.
Vor allem in der Übergangsphase vom heutigen menschengesteuerten Verkehr zum autonomen Verkehr könnte ich mir vorstellen, dass es viele Unfälle zwischen selbstfahrenden Autos und von Menschen gesteuerten Autos geben wird, da Menschen sich nicht immer rational verhalten. Wie lässt sich diese Übergangsphase so kurz wie möglich gestalten?
Damasky: Generell ist die Einschätzung wohl richtig, dass es eine lange Phase eines gemeinsamen Mischverkehrs von automatisierten und nicht automatisierten Fahrzeugen geben wird. Und natürlich stimmt es, dass Menschen auch Fehler machen; immerhin beruhen 90 Prozent aller Verkehrsunfälle auf menschlichem Versagen. Aber genau hier setzen die neuen Systeme ja an – durch sie sollen Unfälle weitgehend ausgeschlossen werden. Das Ziel ist klar, wir sprechen hier von Vision Zero, also von „Null Unfällen“. Selbstverständlich muss solch eine Technologieeinführung entsprechend von Politik und Wissenschaft und einem gesellschaftlichen Konsens begleitet werden.
Welche Vorteile hat der Verbraucher durch ein selbstfahrendes Auto gegenüber einem herkömmlichen Automobil? Welche Nachteile gibt es eventuell?
Damasky: Der Nutzen für den Autofahrer steigt enorm, wenn die Zahl der Assistenzsysteme weiter zunimmt und diese integriert werden. Alle Experten sind sich einig: Vernetztes und automatisiertes Fahren macht den Verkehr sicherer, effizienter, komfortabler. Hinzu kommt: Auch wenn der Fahrer selbst fährt, verfügt ein solches Fahrzeug über Informationen, um einen Unfall verhindern zu können. Künftig werden Autofahrer vor Unfällen gewarnt, können Staus umfahren und damit ihre Reisezeiten verkürzen. Insgesamt wird also Stress vermieden, Umweltressourcen werden geschont. All das erhöht die Attraktivität des Autofahrens.
Vielen Dank für das Interview!