Was ändert sich mit der ­neuen Maschinenverordnung?

Alles, was Recht ist

Die neue Verordnung über Maschinen 2023 / 1230 / EU ist am 29. Juni 2023 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden. Sie löst die bisherige Maschinenrichtlinie 2006 / 42 / EG ab. Sie gilt in vollem Umfang ab 20. Januar 2027 in allen EU-Mitgliedstaaten.

Text: Franz Roiderer (Redaktion)

1. Beweggründe für die neue Regelung

Die Maschinenrichtlinie von 2006 ist eine der wichtigsten Rechtsvorschriften zur Harmonisierung der grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen, die für Maschinen auf EU-Ebene gelten. Sie soll den freien Verkehr von Maschinen im Binnenmarkt und gleichzeitig ein hohes Schutzniveau fördern. Maschinen, die in der EU verkauft werden, müssen eine CE-Kennzeichnung tragen. Mit der Kennzeichnung erklärt der Hersteller, dass er eine EU-Konformitätserklärung ausgestellt hat und seine Produkte damit den Anforderungen der Maschinenrichtlinie genügen.

Allerdings war die Zeit über die Richtlinie hinweggegangen, sind doch mittlerweile beispielsweise Künstliche Intelligenz (KI) oder autonome Maschinen ein großes Thema. Die neue Verordnung benennt selbst weitere Gründe zur Neuregelung. Sie stellt zu Beginn bei Aufstellung der „Erwägungsgründe“ fest, dass sich bei der Anwendung der bisherigen Richtlinie „Mängel und Unstimmigkeiten“ gezeigt hätten. So sei der Anwendungsbereich nicht immer klar und auch die Konformitätsbewertungsverfahren hätten Defizite aufgewiesen. Daher sei es erforderlich, „die Bestimmungen der genannten Richtlinie zu verbessern, zu vereinfachen und an die Bedürfnisse des Markts anzupassen sowie klare Regeln für den Rahmen festzulegen, in dem Produkte, die in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen, auf dem Markt bereitgestellt werden können“.

AUF DEN PUNKT

  • Aus einer „Richtlinie“ wird eine „Verordnung“
  • Hersteller einer unvollständigen Maschine müssen nun auch eine Risikobeurteilung durchführen
  • Anforderungen an autonome Maschinen und Maschinen mit Künstlicher Intelligenz (KI) sind jetzt aufgenommen

2. Verordnung versus Richtlinie

Mit der neuen Verordnung über Maschinen ändert sich zunächst die Bezeichnung: Aus „Richtlinie“ wird „Verordnung“. Dadurch bekommt der Rechtsakt aber nicht einfach nur einen neuen Namen, sondern seine Auswirkung ändert sich grundlegend. In einer Richtlinie legt die EU ein Ziel fest, das von den Mitgliedsländern erreicht werden soll. Es ist jedoch Sache der einzelnen Länder, eigene Rechtsvorschriften zur Verwirklichung dieses Ziels zu erlassen, daher gelten Richtlinien nicht unmittelbar. EU-Verordnungen gelten dagegen unmittelbar und sind auch ohne Umsetzung in nationales Recht rechtlich verbindlich. Ihre Rechtswirkungen sind daher durchaus mit einem gewöhnlichen innerstaatlichen Gesetz vergleichbar und sie haben im Konfliktfall mit der jeweiligen nationalen Gesetzgebung Vorrang.

Eine Verordnung hat somit für die EU den Vorteil, dass die nicht selten langwierige und aus EU-Sicht unzureichende Umsetzung einer Richtlinie in nationales Recht entfällt. Der Verordnungstext führt dementsprechend aus, dass „insbesondere die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen und die Konformitätsbewertungsverfahren für alle Akteure in der Union einheitlich gelten müssen und keinen Raum für eine abweichende Umsetzung durch die Mitgliedstaaten bieten dürfen“.

3. Übergangsregelungen

Bis zum 20. Januar 2027 gilt die Maschinenrichtlinie zunächst weiter. Das bedeutet, dass Produkte, die vor diesem Datum in Verkehr gebracht werden (erstmalige Bereitstellung eines Produkts auf dem Unionsmarkt), mit einer Konformitätserklärung nach Maschinenrichtlinie ausgeliefert werden können. Produkte, die nach dem 20. Januar 2027 in Verkehr gebracht werden, müssen die Anforderungen der Maschinenverordnung erfüllen und brauchen eine Konformitätserklärung nach Maschinenverordnung. Hersteller können allerdings Anforderungen der Verordnung jetzt schon berücksichtigen.

Einige Abschnitte der neuen Verordnung müssen bereits vor dem 20. Januar 2027 angewendet werden. Das betrifft aber in erster Linie weniger die Hersteller als vielmehr die Mitgliedstaaten sowie die EU-Kommission:

  • Kapitel V (Notifizierung von Konformitätsbewertungsstellen): ab dem 20. Januar 2024
  • Artikel 50 Absatz 1 (Sanktionen der Mitgliedstaaten): ab dem 20. Oktober 2023
  • Artikel 6 Absatz 7 (bestimmte Kategorien von ­Maschinen in Anhang I), Artikel 48 (­Ausschussverfahren) und Artikel 52 (Übergangsbestimmungen): ab dem 19. Juli 2023
  • Artikel 6 Absätze 2 bis 6 und 11 (delegierte Rechtsakte) sowie Artikel 47 (Ausübung der Befugnisübertragung) und Artikel 53 Absatz 3 (Bericht der Kommission bzgl. Bewertung und Überprüfung): ab dem 20. Juli 2024

4. Die wesentlichen Änderungen

An dieser Stelle können nur einige Änderungen genannt werden, eine vollständige Auflistung der neuen oder geänderten Regeln würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen.

4.1 Geänderte Struktur
Die Artikel der Maschinenverordnung sind gegenüber der Maschinenrichtlinie neu sortiert worden. Dabei sind neue Kapitel gebildet worden, sodass die Artikel eines Themengebiets nun hintereinanderstehen. Dies soll dem Anwender das Suchen erleichtern. Auch die Anhänge haben eine neue Sortierung erhalten. Die Verordnung umfasst jetzt neun Kapitel und elf Anhänge. In Kapitel II (Pflichten der Wirtschaftsakteure) sind neben Herstellern jetzt auch Händler und Importeure aufgeführt.

Neu ist Kapitel V „Notifizierung von Konformitätsbewertungsstellen“. Notifizierte Stellen (englisch: Notified Bodies) der Europäischen Union sind von den Mitgliedstaaten benannte und überwachte Organisationen, zum Beispiel Inspektionsstellen, die im Auftrag der Hersteller tätig werden, um die Konformitätsbewertung von Herstellern von Industrieerzeugnissen zu begleiten und zu kontrollieren.

4.2 Anwendungsbereich
Die neue Verordnung will dafür sorgen, dass ihr Anwendungsbereich „ausreichend klar“ ist. Dazu unterscheidet sie zwischen Maschinen, dazugehörigen Produkten und unvollständigen Maschinen. Was ist dafür der Hintergrund?
Eine unvollständige Maschine benötigt keine CE-Kennzeichnung, sie ist definiert als ein Produkt, das zwar in den Anwendungsbereich der Verordnung fällt, aber nicht alle dort genannten Anforderungen erfüllen muss. Um die Sicherheit der Maschine als Ganzes zu gewährleisten, ist es jedoch wichtig, dass der freie Verkehr solcher unvollständigen Maschinen durch ein spezielles Verfahren gewährleistet wird.

  • Eine unvollständige Maschine bezeichnet eine „Gesamtheit, die noch keine Maschine darstellt, da sie als solche keine bestimmte Anwendung erfüllen kann, und die nur dazu bestimmt ist, in eine Maschine eingebaut zu werden, um so eine vollständige Maschine zu bilden“. Typische Beispiele sind Antriebssysteme oder Getriebe, die der Maschinenhersteller von einem Zulieferer erhält.
  • Eine wichtige Änderung in der neuen Maschinenverordnung ist der neu eingeführte Begriff „dazugehörige Produkte“. Dieser wird regelmäßig zusammen mit „Maschine“ verwendet, sodass in der Verordnung nahezu ausschließlich von „Maschinen und dazugehörigen Produkten“ gesprochen wird.

Die EU wollte und will, dass möglichst alle Bestandteile einer Maschine Sicherheitsanforderungen unterliegen. Teile einer Maschine jedoch wie auswechselbare Ausrüstungen, Sicherheitsbauteile, Seile und Gurte oder abnehmbare Gelenkwellen waren nicht Gegenstand der Richtlinie. Jetzt unterliegen auch sie der Maschinenverordnung und müssen sicherheitsrelevante Anforderungen erfüllen.

Unklarheiten waren bisher auch bei der Einordnung unvollständiger Maschinen gegeben. Deren Hersteller bestimmten nach der Maschinenrichtlinie grundsätzlich selbst, welche Sicherheitsanforderungen sie einhalten. Denn die Maschinenrichtlinie fordert nur, dass die angewandten und eingehaltenen Anforderungen zu nennen sind. Die Hersteller müssen nicht angeben, welche Anforderungen sie nicht eingehalten haben. Käufer einer solchen Maschine mussten vor dem Kauf daher privatrechtliche Vereinbarungen hinsichtlich der sicherheitstechnischen Schnittstellen treffen.

In Artikel 11 der Maschinenverordnung werden nun die Anforderungen an die Hersteller von unvollständigen Maschinen festgelegt. Diese werden wie folgt beschrieben: „Die Hersteller gewährleisten, wenn sie eine unvollständige Maschine in Verkehr bringen, dass diese gemäß den einschlägigen grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen nach Anhang III konstruiert und gebaut wurde.“ Hersteller unvollständiger Maschinen müssen nun die Risiken ihres Produkts ermitteln und beurteilen. Unvollständige Maschinen müssen bis zu ihren Einbau-Schnittstellen in die endgültige Maschine sicher sein und der Hersteller muss dies deklarieren und beschreiben.

4.3 Security
Die Maschinenverordnung nimmt nun nicht mehr nur „Safety“, das heißt die Betriebssicherheit der Maschine für den Anwender, in den Blick, sondern ebenso „Security“. ­Darunter versteht man die Informationssicherheit und damit auch den Schutz der Daten vor Angreifern. Die Verordnung wählt hierfür den Terminus „Schutz gegen Korrumpierung“. Die Maschine muss demnach so konstruiert und gebaut sein, dass der Anschluss einer anderen Einrichtung (etwa Speicherstick, Fernzugriffseinrichtung) nicht zu einer gefährlichen Situation führt.

Die Maschinen müssen auch „Nachweise“ für ein rechtmäßiges oder unrechtmäßiges Eingreifen in die Software oder eine Veränderung der in ihnen installierten Software oder ihrer Konfiguration sammeln. Maschinensteuerungen müssen so beschaffen sein, dass sie den zu erwartenden Betriebsbeanspruchungen sowie beabsichtigten und unbeabsichtigten Fremdeinflüssen standhalten können. Zu letzteren gehören auch „vernünftigerweise vorhersehbare böswillige Versuche Dritter, die zu einer Gefährdungssituation führen“.

4.4 KI und autonome Maschinen
In den Vorbemerkungen zur Maschinenverordnung wird auf aktuelle technische Entwicklungen eingegangen: „In jüngster Zeit wurden fortschrittlichere Maschinen auf den Markt gebracht, die weniger abhängig von menschlichen Bedienern sind. Derartige Maschinen […] können […] lernen, […] neue Tätigkeiten auszuführen.“ Hier wird eine der in der Verordnung vorkommenden Formulierungen für Künstliche Intelligenz (KI) verwendet. Eine weitere Definition ist ein „vollständig oder teilweise selbstentwickelndes Verhalten“ oder eine „vollständig oder teilweise selbstentwickelnde Logik“.

Die Maschinenverordnung nimmt dann Bezug auf den Bericht der Europäischen Kommission über die „Auswirkungen künstlicher Intelligenz, des Internets der Dinge und der Robotik in Hinblick auf Sicherheit und Haftung“ vom 19. Februar 2020. Der Bericht konstatiert, dass die Entstehung neuer digitaler Technologien neue Herausforderungen in Bezug auf die Produktsicherheit mit sich bringt, und schlussfolgert, dass die aktuelle Gesetzgebung zur Produktsicherheit in dieser Hinsicht eine Reihe von Lücken enthält, die geschlossen werden müssten. Diesen Lückenschluss soll die Maschinenverordnung leisten.

Demnach wird in Anhang III Abschnitt 1.2.1 unter anderem gefordert, dass Steuerungssysteme für Maschinen, deren „Verhalten oder Logik sich vollständig oder teilweise selbst entwickelt und die für einen in wechselndem Maße ­autonomen Betrieb ausgelegt sind“, so konzipiert und gebaut sind, dass keine Handlungen ausgeführt werden, die über die festgelegten Aufgaben hinausgehen.

Daten über sicherheitsrelevante Entscheidungsprozesse der Maschinensteuerung müssen aufgezeichnet und für ein Jahr nach der Aufzeichnung gespeichert werden. Darüber hinaus muss es zu jedem Zeitpunkt möglich sein, die Maschine zu korrigieren, sollte es die Sicherheit erfordern.

Für manche Kommentatoren der neuen Maschinenverordnung wie Hans-Joachim und Dr. Björn Ostermann von „DCEM – Die CE-Mentoren“ sind die Regelungen, die für die Künstliche Intelligenz getroffen wurden, jedoch „größtenteils unnötig“. Sie argumentieren, dass Maschinen auch nach der Maschinenrichtlinie bereits „in jeder Lebensphase sicher sein müssen“. Daher sei eine Sonderbehandlung von sich selbst weiterentwickelnden Produkten unnötig. Man habe, um möglichst zukunftsweisend zu klingen, KI an vielen Stellen unsinnig „reingequetscht“.

4.5 Technische Unterlagen
Die Maschinenverordnung erlaubt jetzt in Artikel 10 die Bereitstellung technischer Unterlagen in digitaler Form, was hier immer auch „online“ bedeutet. Dies gilt für Betriebsanleitung, Montageanleitung sowie die Konformitätserklärungen.
Wenn die Betriebsanleitung in digitaler Form bereitgestellt wird, muss der Hersteller auf der Maschine, auf ihrer Verpackung oder in einem Begleitdokument angeben, wie darauf zugegriffen werden kann. Sie muss zudem in einem Format bereitstehen, das es dem Nutzer ermöglicht, sie auszudrucken, herunterzuladen und auf einem elektronischen Gerät zu speichern. Während der voraussichtlichen Lebensdauer der Maschine, mindestens jedoch zehn Jahre lang nach dem Inverkehrbringen, muss die Betriebsanleitung online zugänglich sein. Falls der Kunde es wünscht, muss sie ihm aber innerhalb eines Monats auch in Papierform zur Verfügung stehen.

Dies gilt jedoch nur für „professionelle“ Nutzer, für Endkunden beziehungsweise „nicht-professionelle“ Nutzer müssen sicherheitsrelevante Informationen immer in Papierform bereitgestellt werden.

Die Bereitstellungspflicht während der voraussichtlichen Lebensdauer der Maschine beziehungsweise von mindestens zehn Jahren gilt auch für die EU-Konformitätserklärungen. Diese müssen zudem den nationalen Behörden auf deren „begründetes Verlangen“ digital oder auf Papier zur Verfügung gestellt werden.

Bei der Online-Bereitstellung von Daten muss der Hersteller in jedem Fall berücksichtigen, dass es nicht trivial ist, Unterlagen über einen solch langen Zeitraum in leserlicher Form bereitzuhalten. Wählt man hier eine externe Cloud-Lösung, muss man damit rechnen, dass deren Anbieter den Geschäftsbetrieb einstellt. Damit könnten dann Daten und/oder URL verloren gehen. Nutzt man eigene IT, darf die URL sich bei einem eventuellen Relaunch nicht verändern.