- Titelthema
- Editorial
- Kurz & Knapp
- Praxis
- Produkte & Märkte
- Unterhaltung
- Vorschau
Vorbereitung ist alles
Verhandlungsgeschick ist ein Soft Skill, der in vielen Bereichen des Arbeitslebens hilfreich ist. Und der sich erlernen lässt.
Ob es um das eigene Gehalt oder um einen Vertragsabschluss mit einem Kunden geht: Wer gut verhandeln kann, holt meist mehr für sich und sein Unternehmen heraus. Das Gute ist: Verhandeln lässt sich erlernen. Zum Beispiel bei Ursula Kraemer. In ihren Workshops, Seminaren und Einzelcoachings vermittelt die Autorin und Businesstrainerin ihren Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Kunst des Verhandelns. „Wer Ziele erreichen will, braucht entweder Mitstreiter oder zumindest ein Umfeld, das keine Steine in den Weg legt. Das heißt: Es braucht Verhandlungen“, sagt sie. Das gelte für alle Arten von Verhandlungen, ob mit dem Chef, der Kollegin oder einem Lieferanten. „Die Vorbereitung und die Vorgehensweisen gleichen sich“, erklärt Kraemer.
Von interner Kommunikation über Teambuilding bis hin zu unkonventionellem Denken – was müssen Führungskräfte können? Unsere sechsteilige Management-Serie beschäftigt sich mit diesen Themen. Teil 3: Verhandlungsgeschick
„Wer Ziele erreichen will, braucht Verhandlungen“
Eine erfolgreiche Verhandlung setzt eine gute Vorbereitung voraus (siehe Infokasten „8 Expertinnen-Tipps zur Vorbereitung einer Verhandlung“). In dieser sollte man immer von drei Zielen ausgehen, betont Kraemer: „Dem Maximalziel, dem Minimalziel und dem Rückzugsziel.“ Das Maximalziel entspreche dabei den kühnsten Träumen, das Minimalziel der Grenze, unter die man nicht zurückgehen könne oder wolle, und das Rückzugsziel komme zum Einsatz, wenn deutlich werde, dass die Verhandlung stockt oder sich die Vorgaben ändern. Das könne ein neuer Termin sein oder ergänzende Unterlagen, aber auch ein neuer oder zusätzlicher Gesprächspartner, der mitverhandelt. „Sich gänzlich ohne Ergebnis aus einer Verhandlung herausziehen, ist der schlechteste Weg“, sagt Kraemer.
„Verhandlungen bestehen aus drei Zielen: Dem Maximalziel, dem Minimalziel und dem Rückzugsziel“
So wichtig die persönliche Definition der drei Ziele sei, in der Verhandlung sollten sie nicht genannt werden. „Wenn ich mein Ziel in den Vordergrund stelle, ist es eine Forderung, die mein Gegenüber erfüllen oder ablehnen kann“, so Kraemer. Das enge das Gespräch unnötig ein. „Verhandeln heißt immer, die Interessen und Wünsche beider Parteien zu hören, gegeneinander abzuwägen und sich schließlich zu einigen.“ Nur wer bereit sei, die Position des Gegenübers zu verstehen und dies bei der Vorbereitung schon einbeziehe, werde ein gutes Ergebnis erreichen können, weiß Kraemer aus ihrer langjährigen Coachingerfahrung.
Vor einer Gehaltsverhandlung sollte man sich zum Beispiel darüber informieren, wie es um die Firma zurzeit wirtschaftlich bestellt sei. Auch würden die Fragen helfen: Was wird gebraucht? Wo liegen die Probleme? Was will mein Gegenüber tatsächlich erreichen? „Oft liegen die Motive verdeckt“, sagt Kraemer, „aber wenn es mir gelingt, diese zu ergründen, wird das auf jeden Fall die besten Ergebnisse bringen – für beide Seiten wohlgemerkt.“ Sie nennt als Beispiel die Geschichte zweier Mädchen, die sich um dieselbe Orange streiten. Zunächst glaube man, die beste Lösung sei, die Frucht ganz salomonisch in zwei Hälften zu teilen, um beide Mädchen zufriedenzustellen. „Wenn ich aber weiß, dass die eine den Saft, die andere die Schale zum Kuchenbacken möchte, kommt es zu einer ganz anderen Lösung. Beide können dann das Ganze der Orange bekommen“, erklärt Kraemer. Besonders bei Scheidungs- oder harten Geschäftsverhandlungen lägen oft versteckte Motive zugrunde, die es herauszuarbeiten gelte.
Aus diesem Grund ist es schlecht, eine Verhandlung als Wettkampf zu betrachten, bei dem es einen Sieger geben muss. Wer den Verhandlungspartner als Verlierer zurücklasse, bekomme die Konsequenzen auf anderer Ebene zu einem späteren Zeitpunkt zu spüren, betont Kraemer. Ein Chef, der einen Beschäftigten ständig bei Gehaltsgesprächen abblitzen lässt, schafft sich einen unmotivierten Mitarbeiter, der das Unternehmen irgendwann verlassen wird. Das Gleiche gelte für einen Kunden, dem man bei den Lieferbedingungen nicht entgegenkommt, oder beim Partner, der bei der Freizeitgestaltung immer den Kürzeren zieht. „Die Vorstellung und das Bemühen, eine Win-win-Situation zu erzielen, sollten im Vordergrund stehen. Beide Parteien sollten einen Nutzen aus der Verhandlung ziehen“, ist Kraemer überzeugt.
„Der größte Fehler ist, gar nicht zu verhandeln“
Damit die Verhandlungspartner am Ende ein Ergebnis erzielen, mit dem beide zufrieden sind, ist die Vorgehensweise wichtig. Kraemer empfiehlt eine positive Einstimmung auf das Gespräch. Das beginne damit, dass man sich für den Termin bedankt und ausspricht, dass man überzeugt davon sei, gemeinsam zu einer guten Lösung zu kommen. „Das setzt den Fokus aller Beteiligten richtig“, sagt Kraemer. Als Nächstes solle das Thema der Verhandlung genannt werden, verbunden mit der Frage „Was ist Ihnen wichtig …?“, um dann die eigenen Bedürfnisse zu artikulieren: „Für mich steht im Vordergrund …“ Nachdem dies geklärt sei, sollten beide Seiten Alternativen vorschlagen, die es dann abzuwägen gelte, rät Kraemer. „Die Methode des Spiegelns schafft die Klarheit, dass man das, was man hört, auch richtig verstanden hat.“ Zwischendurch solle man zusammenfassen, wenn man sich in dem einen oder anderen Punkt geeinigt habe. Damit werde verhindert, dass sich die Verhandlung unnötig wiederholt. „Es sollte selbstverständlich sein, dass man sich am Ende für das Gespräch bedankt, unabhängig davon, was erreicht wurde. Das Gegenüber hat sich Zeit genommen und gemeinsam wurde das Thema erörtert“, erklärt Businesstrainerin Kraemer.
Der größte Fehler, den man in einer Verhandlung machen könne, sei, gar nicht zu verhandeln, sagt Kraemer. Vor allem bei Frauen habe sie diesen Fehler bei Gehaltsverhandlungen immer wieder beobachten können. Kraemer rät, einmal im Jahr, oder wenn man besonders erfolgreich gewesen war, einen Termin mit der für Gehaltsfragen zuständigen Person zu vereinbaren. Allerdings: „Argumente für mehr Geld sind nur berufliche Aspekte, keinesfalls ein kaputtes Auto, ein Umzug oder Familiennachwuchs“, betont sie. Der zweite Fehler ist laut Kraemer, einfach weiterzumachen oder gar aufzugeben, wenn sich die Bedingungen ändern: „Sobald ich das merke, sollte ich einen neuen Termin vereinbaren, denn nur dann ist es möglich, darauf einzugehen.“
Der dritte Fehler ist, das Gespräch „zwischen Tür und Angel“ führen zu wollen, sagt Kraemer. „Ich brauche auf jeden Fall eine gute Vorbereitung. Wenn ich mit meinen Notizen in das Gespräch gehe, gibt mir das Sicherheit und zeigt vor allem auch, dass mir das Gespräch wichtig ist.“ Menschen, die sich unsicher fühlen oder wenig selbstbewusst sind, rät Kraemer, vor der Verhandlung einen Probelauf mit einer vertrauten und doch kritischen Person zu machen. „Klare Worte und eine überzeugende Körpersprache werden das Ergebnis maßgeblich beeinflussen“, weiß Kraemer.
Doch welche Rolle spielen die Emotionen? Nicht jede Verhandlung findet mit einem Menschen statt, der sympathisch ist. Auch hier weiß Verhandlungsexpertin Kraemer, was zu tun ist: „Emotionen können wir nicht wirklich kontrollieren. Der Kopf versucht das zwar, doch unsere Körpersprache wird deutlich machen, dass wir den anderen ablehnen.“ Besser sei es deshalb, sich zu fragen, warum man sein Gegenüber nicht leiden kann, und sich zu überlegen, was positiv an dieser Person ist: „Wenn ich möchte, dass mir der andere entgegenkommt, brauche ich eine positive Einstellung.“
Aber manchmal kommt man nicht zusammen und es lässt sich keine Übereinkunft erzielen. Beide Parteien tauschen nur ihre Positionen aus und beharren auf ihren Zielen. Eine Verhandlung kommt dann natürlich nicht in Gang oder gerät ins Stocken. Für diesen Fall rät Kraemer, es offen anzusprechen: „Sagen Sie ruhig: ‚Ich habe den Eindruck, dass wir nicht weiterkommen.‘“ Eine andere Möglichkeit sei es, den Verhandlungsgegenstand in kleine Schritte aufzuteilen und dann zu sehen, was möglich ist.
Ein weiteres Szenario ist, dass der Gesprächspartner im Augenblick nicht in der Lage ist, auf die Verhandlung einzugehen, oder aber Vorgaben hat, an die er sich halten muss. „Dann kann ich einen neuen Termin vorschlagen oder um einen anderen Gesprächspartner bitten“, sagt Kraemer. „Ist alles ohne Ergebnis ausgeschöpft, bleibt nur, sich zu verabschieden.“
Ursula Kraemer ist Autorin und Businesscoachin. Sie berät und bietet Workshops an zu den Themen Businesscoaching, Neuorientierung, Existenzgründung und Ruhestand. Ihr neues Buch „Selbstbewusst kommunizieren. Schwierige Gespräche souverän meistern“ ist bei BoD erschienen (ISBN 978-3-75621-278-1). Weitere Informationen finden Sie unter: www.navigo-coaching.de.